Gefahren, die kaum jemand kennt
Nachdem bei uns hier auf La Palma in nur 7,5 Kilometern Entfernung ein neuer Vulkan ausgebrochen ist, der seit nun schon zwei Wochen das Aussehen und Gesicht der westlichen Region dieser Insel für die Zukunft dauerhaft ändert, bekomme ich vielfach mit, wie fehlerhafte Berichterstattung, insbesondere in deutschen Medien, zu einer falschen Einschätzung der Risiken von Naturereignissen auf den kanarischen Inseln verleitet.
Es geht nicht darum, durchaus vorhandene Risiken hier auf den Kanaren zu leugnen. Auf einer vulkanisch entstandenen Insel zu leben, unter der in einigen Kilometern Tiefe Magma brodelt, birgt ein gewisses Risiko von kleinen oder großen Ausbrüchen. Wie groß dieses Risiko jedoch ist, entzieht sich dem Wissen der Menschen. Kein Wissenschaftler kann voraus sagen, was passieren wird und wann.
Entgegen der derzeit publizierten, teils bewusst reißerisch daher kommenden Artikel in den Medien über den Vulkanausbruch auf La Palma, sollte jeder, der sich mit der Thematik von Naturphänomenen auf Inseln und der geologischen Aktivitäten der Erdkruste befasst, sich darüber im Klaren sein, dass quasi überall auf der Welt mehr oder weniger große Risiken lauern. So beispielsweise auch auf den Balearen im Mittelmeer.
Forscher haben herausgefunden, dass vor rund 500 Jahren ein zehn Meter hoher Tsunami Mallorca überflutete. Sollte sich das wiederholen, könnte man die Menschen mit einem multinationalen Frühwarnsystem wie im Pazifik oder Atlantik schneller und besser warnen. Doch dafür müssen sich die Mittelmeerstaaten erst einmal einigen.
Im Pazifik wurde beispielsweise ein hochmodernes Frühwarnsystem installiert. Sensoren in Bojen erkennen, ob sich tatsächlich ein Tsunami nähert, wie schnell er ist und wie stark. Die Experten in der Zentrale auf Hawaii können so gezielt die Anrainerstaaten warnen. Seit 40 Jahren schon funktioniert das System.
##Im Mittelmeer denkt man erst jetzt über ein solches System nach.
Die Zeit drängt aber, denn im Mittelmeer lauern viele Tsunami-Gefahren, manche sind kaum erforscht. Vor Italien tickt eine Zeitbombe. Unter dem Meeresspiegel verbirgt sich ein rieisger Vulkan, 3000 Meter hoch. Bekannt ist er seit über 30 Jahren, doch erst seit 1999 erkunden Wissenschaftler mit GEOSTAR, einem ferngesteuerten Roboter, den Berg II Marsili.
Dieser Vulkan ist immer noch aktiv. Ein Ausbruch scheint nicht unmittelbar bevorzustehen, doch seine mächtigen Bergflanken könnten abrutschen und durch die plötzliche und gewaltige Wasserverdrängung riesige Tsunamis erzeugen. Die Ursache besonders hoher Tsunamiwellen sind Erdrutsche unter dem Meeresspiegel. Tsunamis zählen zu den verheerendsten Naturkatastrophen. Seine zerstörerische Energie kann die Riesenwelle über Tausende von Kilometern weit mitführen. Schon drei Meter hohe Wellen können beim Überfluten und Abfließen der Wassermassen große Schäden anrichten. Auch die Balearen sind dem schutzlos ausgeliefert. Verheerende Schäden und unzählige Tote wären im gesamten Mittelmeerraum unvermeintlich, wenn Il Marsili ausbrechen oder abrutschen sollte.
##Erdbeben vor Algerien
Aber auch andere Tsunamis drohen ständig. Wie beispielsweise das Erdbeben vor Algerien 2003, auch Boumerdès-Erdbeben genannt. Es handelte sich um ein mittelschweres Erdbeben im Mittelmeer am 21. Mai 2003 vor der Küste Algeriens, durch das jedoch 2.266 Menschen starben. Ein Tsunami entstand („Flutwelle“, wörtlich „Hafenwelle“), der die Balearen erreichte und dort zum Teil erhebliche Sachschäden verursachte.
An diesem Tag kam es um 19.44 Uhr mitteleuropäischer Zeit im Meer etwa 20 km nordöstlich von Boumerdès, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Boumerdés, zu einem Erdbeben der Magnitude 6,8. Die Tiefe des Zentrums wurde mit zwölf Kilometern ermittelt.
Der Erdbebenherd liegt in der Grenzregion von Europäischer und Afrikanischer Platte. Die Afrikanische Platte bewegt sich hier mit einer Geschwindigkeit von 6 mm pro Jahr nach Nordwesten gegen die Europäische Platte. Erdbeben sind häufig und werden von Bewegungen an Seitenverschiebungen und Überschiebungen verursacht. Die Herdflächenlösung ergab, dass das Erdbeben durch überschiebende Bewegungen verursacht wurde.
Die seismischen Stöße ließen über 1000 Gebäude in den Küstenregionen des Landes einstürzen. Insgesamt wurden mehr als 40.000 Häuser beschädigt, etwa 150.000 Menschen wurden obdachlos. Das Erdbeben forderte 2.266 Menschenleben, und mehr als 10.000 Menschen wurden verletzt. Die Infrastruktur der Region wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen, und ein Unterseekabel vor der Küste wurde durch untermeerische Rutschungen unterbrochen. Der Schaden betrug etwa 100 Millionen Dollar, andere Schätzungen gehen von 600 Millionen bis 5 Milliarden Dollar aus.
Durch die Schockwellen wurde ein Tsunami ausgelöst, der mit 300 km/h durch das Mittelmeer zog. 54 Minuten später, um 20.45 Uhr, zog sich an den Küsten des Balearen-Archipels, der etwa 272 Kilometer vom Epizentrum entfernt liegt, das Wasser bis zu 150 Meter zurück. Kurz darauf rollten zwei aufeinanderfolgende, circa zwei Meter hohe Wellen heran und überschwemmten die Strände und einige Strandstraßen.
Das Beben vor Algerien war nicht sehr stark, wodurch nicht allzu viel Energie auf den Tsunami übertragen werden konnte. So erreichte er nur eine geringe Höhe. Trotzdem wurden auf Mallorca, Ibiza (hier speziell in der Hafenstadt Santa Eulària) und Formentera an die 200 Boote, einige Fischerhütten und dutzende Autos zerstört oder fortgespült. Ich selber habe diese Auswirkungen vor Ort auf Formentera erlebt und seit diesem Abend war mir bewußt, dass ich zwar auf einer Insel lebte, die für andere das Paradies darstellt, auf der aber durchaus unberechenbare Naturgewalten das Leben bedrohen können.
Zwar war dies nicht der erste Tsunami im Mittelmeer (schon 1908 hatte das Erdbeben von Messina eine sehr viel verheerendere Flutwelle ausgelöst), doch nach dem Bekanntwerden des Vorfalls begann eine öffentliche Diskussion über Schutzmaßnahmen und Frühwarnsysteme für den Mittelmeerraum, der eine stark erdbebengefährdete Zone ist. Denn im Mittelmeer bleibt nur sehr wenig Zeit für eine Warnung und anschließende Evakuierung. Während die Tsunamis im Pazifik zum Teil über sieben Stunden brauchen, um quer durch den Ozean zu wandern, können sie im Mittelmeer zum Teil schon innerhalb von 30 Minuten die gegenüberliegende Küste treffen.
Aus eigener Erfahrung kann ich jedenfalls sagen, dass es wichtig ist, sich umfassend zu informieren, alle Daten zu verstehen und sie einzuordnen, um sich dann mit gesundem Menschenverstand eine fundierte Meinung zu bilden und entsprechend konsequent zu handeln, wenn man eine wichtige und weitreichende Entscheidung treffen muss. Das unser Umzug nach La Palma und unsere Entscheidung hier zu siedeln mit gewissen, nicht berechenbaren Risiken verbunden ist, war uns bewusst. Aber ausgehend von den nachprüfbaren, geologischen Fakten der letzten Jahrhunderte entschieden wir uns für eine Region, in der es noch keine dokumentierten Eruptionen gab und deren Stabilität auch in Zukunft einen Ausbruch unwahrscheinlicher macht, als auf der touristisch deutlich stärker genutzten und von deutschen Residenten präferiert besiedelten, westlichen Region.
Das wir nach knapp einem Jahr Residenz hier auf La Palma mit unserer Entscheidung, im Osten der Insel zu siedeln richtig lagen, bestätigte uns jetzt leider der Ausbruch des Vulkans. Aber natürlich wünschten wir uns, es hätte keinen Ausbruch gegeben und das Leid vieler Menschen wäre nicht eingetreten. Wir versuchen zu helfen, wo es geht und wollen, wie alle Bewohner der Kanaren, unseren Beitrag dazu leisten, den Betroffenen so gut wie möglich zu helfen und Ihnen wieder den Weg in ein neues Leben hier auf der Insel zu erleichtern. Die Solidarität hier ist riesengroß und ich bin mir sehr sicher, dass alle Palmeros schon bald gestärkt und mit Zuversicht wieder in die Zukunft schauen können.
(Wissenschaftliche Informationen zusammengetragen aus Wikipedia)