Wir brauchen eine Jailbreak-Pflicht!
Es regt mich auf. Wirklich jetzt! Die EU regelt so ziemlich alles, was mit dem alltäglichen Leben und der Umwelt zu tun hat, Stichwort Stickoxid und Führerscheine. Aber beim Smartphone tut sich in dieser Hinsicht nichts: Hier liegen, wie wohl in jedem Haushalt, diverse funktionierende, aber völlig veraltete Smartphones und Tablets herum. Die sind nur noch teurer Elektroschrott. Zu nutzlos zum Behalten, zu gut zum Wegschmeißen oder billig Verkaufen. Liebe EU-Politiker: Es wird Zeit, dass wir die Dinger wie alte PCs oder Macs frei und nachhaltig mit Linux oder anderen freien Systemen nutzen können!
Der ein oder andere wird es kennen: Man bekommt von Bekannten einen leidlich aktuellen PC oder Mac geschenkt, auf dem weder Windows 10, noch ein aktuelles MacOS läuft. Solange das Gerät technisch funktioniert und nicht völlig veraltet ist, könnt Ihr es aber jederzeit mit Linux oder etwas Vergleichbares wie KolibriOS oder FreeDOS aufsetzen und für was-auch-immer verwenden. Das geht sogar mit 30 Jahre alten 386er-Rechnern: Wenn sich irgendein Entwickler dazu herabließe, irgendein Betriebssystem für derart überholte Hardware zu entwickeln, könnte er das – und es würde laufen. Nicht so bei Smartphones und Tablets, denn die sind immer verplompt – und damit alles andere als nachhaltig.
Nehmen wir mein altes iPhone 5: Es hat seit Anfang 2013 jahrelang gute Dienste geleistet, hat natürlich diverse Kratzer und der Akku will auch nicht mehr so recht. Das letzte iOS-12-Update hat es nicht mehr bekommen und Sicherheitsupdates gibt es auch nicht mehr. Dafür hat es 32 Gigabyte Speicher, ein Gigabyte RAM und einen leistungsstarken 32-Bit-ARM-Prozessor – im Grunde ist es also so etwas wie ein Raspberry Pi 3 mit eingebautem Touch-Bildschirm. Einzig: Die Gebrauchtpreise für das iPhone 5 in diesem Zustand liegen tatsächlich unterhalb von denen eines neuen Raspberry. Und es ist, weil Apple es nicht freigibt, für deutlich weniger zu gebrauchen. Auch, weil die Apps im AppStore nach und nach kein iOS 11 mehr unterstützen werden.
Für was ein altes Smartphone alles gut wäre!
Dabei wäre es für die gleichen Anwendungen doch grundsätzlich genauso gut, wenn nicht sogar besser geeignet, als ein Raspi. Mit Raspbian oder einem angepassten Android könnte das veraltete iPhone sicher noch ein wunderbares zweites Leben als Allround-Gadget, Streaming-Server oder sonstiges IoT-Gerät führen. Möglicherweise noch für Jahre, denn im klassischen Sinne defekt ist es ja nicht. Das gleiche trifft übrigens auf ein Windows-Phone-Gerät zu, das hier in der Schublade verschimmelt und deshalb ein Fall für den Recyclinghof ist. Genau wie das leider viel zu früh gealterte Android/Windows-10-Tablet von Chuwi, das partout keine neuen Windows-10-Updates mehr schlucken will: Alle verplompt, offiziell für nichts mehr als die letzte OS-Version zu gebrauchen und binnen kürzester Zeit unsicher und unbenutzbar.
Ganz besonders ärgerlich ist das bei Tablets, weil diese ja in aller Regel auch gute Bildschirme sind und sich mit einem simplen Adapter für Maus und Tastatur in günstige, leistungsstarke Mini-PCs verwandeln ließen. Dabei wäre es doch, technisch gesehen, ein Leichtes, die Geräte für Drittanbieter-Software freizugeben: Der ganze Pseudo-Elektroschrott, der ein ewiges Dasein mit einem letzten Uralt-Update fristen muss und damit tagtäglich weniger nützlich wird, könnte, statt in Schubladen zu vergammeln oder auf Müllhalden zu landen, irgendwo noch sinnvoll eingesetzt werden.
Technisch kein Problem
Entwickler, die ihr Herz der Erhaltung alter 32-Bit-iPhones oder oller Androiden widmet, würde sich schon finden. Einzig: Er kann es nicht. Und das ärgert mich zutiefst. Denn all die auf Obsoleszenz gebauten Geräte könnten mit anderer Software und Schnittstellen-Adaptern sogar noch richtig sinnvoll sein, etwa als Mini-Rechner für die Ärmsten der Armen, gespendet, um Kindern in den Slums der Welt entweder ein Telefon, Tablet oder eben sogar einen kleinen Rechner zu ermöglichen. Denn die Rechenleistung reicht dafür mehr als aus.
Falscher Idealismus? Mitnichten!
Ich bin sonst kein Idealist. Aber wenn ich wüsste, dass ich mein altes Smartphone oder Tablet spenden könnte und irgendwo in Afrika ein Schulkind mit einem billigen Adapter aktuelle Software nutzen könnte – und dafür reicht die Leistung der meisten hierzulande obsoleten Geräte völlig – ich wäre selig und würde spenden. Und es gäbe sicher auch viele andere, die das machen würden.
Ein Root- oder Jailbreak-Gesetz muss her!
Da die Hersteller aber entsprechende Patches nicht freiwillig zur Verfügung stellen, müsste man sie eigentlich zwingen: Deshalb ist eine Jailbreak-Pflicht naheliegend. Sobald ein Gerät obsolet ist, also vom Hersteller nicht mehr unterstützt wird, müsste der Hersteller per Gesetz dazu gezwungen werden, einen Jailbreak nachzureichen. Die EU wäre dafür die passende Instanz, nervt sie doch sonst mit deutlich sinnfreierer Gesetzgebung. Natürlich wären auch empfindlichen Strafen bei Nichtbeachtung notwendig, inklusive der Abstrafung von „Fake-Updates“, die Geräte zwar auf dem Papier weiter unterstützen, aber in der Praxis unbenutzbar machen.
Mehr Nutzen – weniger Elektroschrott!
Freigeschaltet könnten Smartphones und Tablets (wie übrigens auch Smart-TVs und andere „Gadgets“, die eigentlich vollwertige Computer sind) einem neuen Verwendungszweck zugeführt werden. Das könnte die Lebensdauer zahlreicher Geräte deutlich erhöhen, möglicherweise Gutes tun – und den Elektroschrott-Berg massiv reduzieren.
Diese Meinung habe ich beim Tutonaut am 13. Februar 2019 gelesen und stimme ihr einhundertprozentig zu. Danke an den Autor für seinen klaren Blick und die gute Idee.